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News

am 04.05.2016

Reine Nervensache

Mit Hilfe von Martin Müllers „Neurocoaching“ kommt die Oberstdorferin Lucia Joas in die Spur. Auch privat findet sie ihr Glück

Privat hat Lucia Anger ihr Glück längst gefunden. Seit einigen Tagen ist die Skilangläuferin vom Skiclub Oberstdorf glücklich verheiratet mit ihrem Pirmin. Als Lucia Joas wird sie in die nächste Saison gehen. Ein Winter mit neuem Namen und neuen sportlichen Zielen. Die Grundlagen schafft sie bereits jetzt. Dabei erhält die 25-Jährige Hilfe abseits der Krafträume und Rollerbahn durch Neurocoaching. Durchhaltevermögen und Gelassenheit sind zwei Eigenschaften, die Lucia Joas in ihrer Karriere als Skilangläuferin des SCO auszeichnet. Dass sie an ihren Zielen festhält und sich nicht aus der Spur bringen lässt, bewies sie vor allem nach ihrem schweren Sturz beim Rollerski-Training im November 2014, der ihr eine Gehirnerschütterung und lange Kopfschmerzen bescherte. Auf ärztliches Anraten setzte sie lange mit dem Training aus. Der Wiedereinstieg in ihren sportlichen Alltag war zäh, und die vertrauten Trainingseinheiten erwiesen sich als kontraproduktiv.

Erst das Training mit eigenen Schwerpunkten und die große Unterstützung von Martin Müller brachten die wieder genesene Sportlerin voran. Statt hartem Krafttraining standen leichte Regenerationsläufe an der Iller auf dem Programm. In der Nachschau sagt die Sportlerin: „Mich hat das stärker gemacht, und der Lerneffekt durch die Auseinandersetzung mit mir selbst war enorm“, erzählt sie entspannt in der Praxis von Müller, der seit vielen Jahren als Physiotherapeut Wintersportler am Ort betreut. Vor vier Jahren schloss der 40-Jährige seine Ausbildung zum Trainer für audiovisuelle Wahrnehmungsförderung ab und leitet seither das Zentrum in Oberstdorf. Bei dem Verfahren soll das autonome Nervensystem über modulierte Schallwellen in Balance gebracht werden. Die Methode wurde anfänglich von den deutschen Handballern und den österreichischen Skispringern genutzt und hat sich mittlerweile bewährt.

Das Neurocoaching baut darauf auf. „Damit versuchen wir, die Möglichkeiten eines Sportlers auf ein Maximum zu verbessern“, erklärt Müller. Der Leistungsstand werde gern in Prozentzahlen gemessen und mit Sprüchen wie „dann musst du eben 120 Prozent geben, um zu gewinnen“, Stimmung gemacht. Für Müller ist das Unsinn: „100 Prozent machen dabei den Gesamtsportler aus. Alles darüber hinaus ist gelogen oder Doping.“

Die 100 Prozent zu erreichen, darauf baue das Neurocoaching mit den vier Säulen Nährstoffsteuerung, Trainingssteuerung, Wettkampfsteuerung und Regeneration auf. Es gehe bei all dem nicht darum, die Arbeit der Trainer zu unterlaufen, betont Müller: „Wer sich um Koordination, Schnellkraft und Technik kümmert, muss nicht zwangsläufig erfahren sein in Themen wie Ernährung und Regeneration.“

So sei beispielsweise ein Irrglaube, dass es allen Sportler gleich gut bekomme, nach einem Wettkampf Nudeln in sich hineinzuschaufeln. Kartoffeln seien weniger belastend für den Stoffwechsel und erfüllten den gleichen Zweck. Dunkle Schokolade sorge für die bessere Bindung von Sauerstoff, und die scharfe Würze von Chili rege den Stoffwechsel an.
Überhaupt plädiert Müller für viel mehr Eigenverantwortung der Sportler in Ernährungsplanung, Trainings- und Wettkampfsteuerung. Viel Arbeit an sich selbst, viel Freiraum für individuelle Zielsetzungen und Trainingspläne seien dafür erforderlich.

Mentaltraining mit sogenannten Mindmaps haben Lucia Joas weitergebracht. „Da steht mir nicht auf der Stirn geschrieben, dass ich das nächste Rennen gewinnen will, sondern der Fokus richtet sich auf das Vertrauen, auf eine optimale Vorbereitung und die Verbesserung spezieller Mängel“. Dazu müsse man genau in sich hineinhorchen und den Alltag durchleuchten. Martin Müller betreut sie auf diesem Weg: „Ich kann sie auf Regenerationsläufen begleiten und ihr Tipps geben, den Stoffwechsel mit Gewürzen zu optimieren.“ Was am Ende jedoch am besten zu ihr passt, weiß die Athletin selbst – bei Joas spürbar an der Gelassenheit, mit der sie die Folgen ihres schweren Sturzes verarbeitet hat und wieder dabei war bei den Wettkämpfen der weltbesten Langläuferinnen.

Text: Elke Wiartalla, Allgäuer Anzeigeblatt, 04.05.2016

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