Nur der letzte Traum blieb unerfüllt
Michael Neumayer vom SC Oberstdorf beendet seine erfolgreiche Karriere.
Wenn es um deutsche Skisprung-Aufgebote ging, fehlte der Name Michael Neumayer in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten selten. Das ändert sich nun. Der 37-Jährige gibt das Ende seiner Laufbahn bekannt. Es ist ein stiller Abschied, ohne die ihm gebührende große letzte Show. „Ich hatte eine wirklich schöne Zeit und durfte im Laufe meiner langen Karriere viele wertvolle Erfahrungen als Skispringer sammeln. Aber jetzt ist es an der Zeit aufzuhören und sich neuen Aufgaben zu widmen“, betont der diplomierte Betriebswirt. Der verheiratete Familienvater, der in Fischen lebt und dessen persönliche Bestmarke im Skifliegen bei 231 Metern steht, möchte als Technischer Delegierter weiter dem Skispringen verbunden bleiben.
Es ist ein stiller Abschied. Still, wie es eben Neumayers Art war und ist. Denn ein Lautsprecher, einer, der sich als Erster in Position brachte, war der 37-Jährige nie. Dass sein 36. Platz beim Springen in Zakopane am 24. Januar sein letzter von 312 Weltcup-Auftritten war, ahnte damals noch niemand. Dass er mit Platz fünf beim Fis-Springen in Sapporo am 4. März seine Karriere beendet, wusste er schon. Es war genau der richtige Ort für Neumayer, der eine besondere Beziehung zum Land der aufgehenden Sonne besitzt.
Wann immer es nach Japan ging, Neumayer war dabei. Den Reisestress, den viele Stars der Szene nur zu gern ausließen, tat er sich gern an. Und hatte Erfolg. Sein einziger Sieg gelang ihm beim Sommer-Grand- Prix am 29. August 2015 in Hakuba. 2001 bei der Vierschanzentournee gab er sein Weltcup-Debüt, damals noch mit Sven Hannawald und Martin Schmitt als den großen Mannschaftsführern. Zu einem solchen wurde er in den Jahren des Umbruchs unter Schuster selbst.
„Fair, mannschaftsdienlich, trainingsfleißig, anpassungsfähig – man könnte die Liste der positiven Eigenschaften des Michael Neumayer mühelos fortsetzen“, lobt der Coach aus dem Kleinwalsertal. Er sieht in ihm einen Athleten, der mitentscheidenden Anteil an den derzeitigen Erfolgen hat. „Er hat sich ohne Reibungsverluste in die junge Mannschaft integriert und war als erfahrener Skispringer ein gefragter und wichtiger Ansprechpartner.“ Gerade wenn es um das Team ging, war der Oberbayer da. Olympia-Silber im Team 2010 in Vancouver, WM-Silber 2005 in Oberstdorf und auch 2013 in Val die Fiemme zeugen von Zuverlässigkeit. Auch sein dritter Platz bei der Vierschanzentournee 2007/08, als das deutsche Skispringen in der Krise steckte, war ein Signal und wohl auch sein größter Einzelerfolg. Dass es nicht zu mehr reichte, war auch seiner technischen Art des Springens geschuldet. Die Haltungsrichter mochten den Wahl-Allgäuer nicht sonderlich. Immer wieder gab es für die mitunter nicht schön anzusehenden Landungen erhebliche Punktabzüge. Neumayer nahm es hin – auf seine stille Art.
Auch der Skiclub Oberstdorf wünscht Michael Neumayer auf seinem neuen Lebensweg alles erdenklich Gute.
Text: Gerald Fritsche, Allgäuer Anzeigeblatt