Ein Traum wird wahr
Johanna Holzmann gewinnt als erste Deutsche den Gesamtweltcup. Die 22-jährige Oberstdorferin hat viele schwere Verletzungen hinter sich. Wie sie dennoch zum Erfolg kam
Johanna Holzmann hat Geschichte geschrieben. Als erste deutsche Telemarkerin hat die 22-Jährige vom SC Oberstdorf den Gesamtweltcup ihrer Sportart gewonnen. Beim Saisonfinale in Mürren/Schweiz siegte die Allgäuerin im Sprint, der zweite Platz im Classic reichte ihr anschließend zum Gewinn der großen Kristallkugel. „Das ist ein Wahnsinnsgefühl. Am Ende der Saison als Siegerin rauszugehen, ist einfach unbeschreiblich“, freut sich Holzmann und fügt an: „Ich glaube, ich brauche noch eine ganze Weile, bis ich das realisiert habe.“ Mit dem Triumph in der Schweiz hat sich Holzmann ihren großen Traum erfüllt. Lange Zeit schien dieser Traum aber mehr als gefährdet.
Die Oberstdorferin blickt auf eine schier unglaubliche Verletzungsgeschichte zurück. Sage und schreibe elf Mal ist ihr die Kniescheibe herausgesprungen – zehn mal im rechten, einmal im linken Knie. 2013 wurde sie operiert, die Ursache der Verletzung im rechten Knie behoben. Als es im Sommer 2016 erstmals auch auf der linken Seite passierte, folgte die zweite Operation. „Ich wollte, dass es nie wieder passiert, und war mir sicher, dass der Eingriff sein muss“, sagt Holzmann. Dadurch, dass die Kniescheibenkuhle nicht rund genug war, mussten ein Teil entfernt, der Knorpel neu in Form gepresst und die Bänder nach innen gezogen werden. Der Eingriff verlief wie gewünscht: Die zwölffache Junioren-Weltmeisterin ist seither verletzungsfrei geblieben und präsentiert sich aktuell in der Form ihres Lebens. Schon in der Saisonvorbereitung habe sie gemerkt, sagt Holzmann, dass sie so gut und konstant drauf sei wie nie zuvor. „Das Wichtigste war, dass ich diesmal gesund durch den Sommer gekommen bin und mich ideal auf die Saison vorbereiten konnte“, meint die 22-Jährige.
„Aber am Anfang weiß man nie, wo man im Vergleich mit der Konkurrenz wirklich steht.“ Beim Saisonauftakt in Hintertux/Österreich gelang der gebürtigen Memmingerin dann allerdings gleich ein Doppelsieg (Sprint und Parallelsprint) und auch bei den folgenden Wettkämpfen präsentierte sich Holzmann in starker Verfassung. „Ich konnte in dieser Saison komplett
nach Plan trainieren und war auch mental ziemlich stark“, erklärt sie. Dadurch habe sie sich von Rennen zu Rennen stetig weiterentwickelt.
Sieg beim Heimweltcup als Saison-Höhepunkt
Und obwohl es für die Allgäuerin in diesem Winter zahlreiche besondere Momente gegeben hat, muss sie, gefragt nach ihrem persönlichen Saison-Höhepunkt, nicht lange überlegen: „Der Heimweltcup am Oberjoch!“ Anfang Februar hatte Holzmann dort die Schweizerin Beatrice Zimmermann in einem packenden Finale niedergerungen und sich somit den Sieg im Parallel-Slalom geholt. „Am Oberjoch durfte ich meinen allerersten Heimsieg feiern. Das war etwas ganz Besonderes und ich bin noch einmal ein Stück stärker aus diesem Weltcup herausgegangen.“ Da konnte es die Oberstdorferin sogar halbwegs verschmerzen, dass ihr am Tag zuvor beim Classic Sprint nur Rang sechs geblieben war – wegen eines Sturzes im Kreisel. Sie sagt: „Natürlich war das ein negatives Erlebnis. Aber es
ist unglaublich schwer, konstant Top-Leistungen zu bringen.“ Nach der überaus erfolgreichenSaison stehen für Holzmann aktuell „nur Regeneration und Skifahren“ auf dem Programm. In zwei Wochen
geht es für die Sportsoldatin dann nach Hannover zu einem Unteroffizierslehrgang.
Text: Allgäuer Anzeigeblatt, 29.03.2018